Alles reine Ansichtssache! – Fremdbild Kompression

Als Lipödem-Patientin sieht mein Tag in der Regel wie folgt aus: aufstehen, duschen, Zähne putzen, Kompression für Arme & Beine anziehen, Klamotten drüber und schon kann der Tag beginnen!
Abends, daheim, ziehe ich als allerletztes vor dem Schlafen gehen meine Kompression erst wieder aus. Manchmal trage ich sogar schon meinen Schlafanzug über der Kompression, einfach um es gemütlicher zu haben. Aber die Kompression bleibt bis zum Schluss auf meiner Haut.

Dieses Schauspiel wiederhole ich jeden einzelnen Tag der Woche. Wieder und wieder. 365 Tage im Jahr, 52 Wochen lang, über 12 Monate. Kurz: so gut wie immer.
Sogar wenn ich krank bin zwänge ich mich in das Gestrick hinein. No pain, no gain.

Für mich ist meine Kompression Alltag. Immer und überall dabei. Mein ständiger Begleiter. Wie eine zweite Haut. Eine dicke, zweite Haut. Elefantenhaut.
Denn – fun fact – Elefanten brauchen eine besonders dicke Haut, um ihre Masse, den inneren Druck zusammenzuhalten. Kommt einem mit Lipödem irgendwie bekannt vor, oder?

Meine Kompression ist für mich einfach ein Teil von mir, ein Teil meines Outfits, ein Teil meines Stils. Sie stört mich wirklich, wirklich selten und so soll es ja auch sein.
Doch so wie mir scheint es nicht jedem zu gehen. Über die Leute die gerne mal einen Blick zu viel riskieren und einen unverhohlen anglotzen hatte ich bereits berichtet. Wer diesen vielleicht noch nicht kennt oder sich den Beitrag noch einmal zu Gemüte führen möchte, der kann das hier gerne tun.

Doch sind diese Personen eher Randerscheinungen.
Das wurde mir erst kürzlich klar, als ich ein kleines Gespräch mit meiner Kosmetikerin über meine Kompression hatte. Denn eigentlich ermahnte sie mich freundlich, nicht immer so enge Kleidung zu tragen, da es sonst kein wäre, dass nach der Haarentfernung immer wieder Härchen einwachsen.
Auf mein „das wird wohl schwierig, denn ich muss meine Kompression ja jeden Tag tragen aufgrund meiner Erkrankung“ bekam ich erst mal nicht viel mehr als ein erstauntes Gesicht. Völlig baff und ein bisschen verunsichert.
Sie entschuldigte sich natürlich umgehend über das gesagte mit der kleinen Ergänzung, die mich zum Nachdenken brachte:

„Ich dachte halt einfach, du magst eben dicke Strumpfhosen gerne.“

Meine erste Reaktion: Lachen.
Ein ehrliches, wenn auch ertapptes Lachen. Denn sie hat Recht!
Für viele andere Menschen, denen ich im Alltag begegne, ist meine Kompression nichts weiter als einfach nur eine Strumpfhose. Eine dickere, blickdichte Strumpfhose.
Mehr nicht.

Und das ist gerade das Wunderbare daran. Denn Kompression wird nicht mehr als der hässliche Gummistrumpf wahrgenommen, wie ihn vielleicht unsere Mütter oder Großmütter getragen haben. Sondern, die heutige Flachstrick-Kompression ist ein ganz herkömmlicher Teil eines Outfits wie ein Paar Schuhe, eine Jeans oder eine freche Lederjacke. Man muss sie nur richtig tragen.
Und mit richtig meine ich selbstbewusst.
Denn fühlt man sich in seiner Haut, seiner Kleidung nicht wohl, sehen das die Menschen um einen herum natürlich an. Oder zumindest meint man das. Denn so ist es ja auch mit dem berüchtigten Soßenfleck vom Mittagessen auf der Bluse, den jeder von Weitem schon, aus vielen Kilometern Entfernung, sieht – meinen wir zumindest. Oder ein bad hair day – OMG – völlig unmöglich sich an so einem Tag vor die Tür zu trauen.

Ich kann die Liste der vorstellbaren Unvorstellbarkeiten noch lange weiterführen und keine Übertreibung dabei auslassen, aber ich nehme an, es wurde klar worauf ich anspiele.

… einfach mal einen F*#k darauf geben was andere vielleicht denken könnten

Den inneren Schweinehund überwinden, über den eigenen Schatten springen und einfach mal einen F*#k darauf geben was andere vielleicht denken könnten, das macht den Unterschied.
Denn oft Denken Menschen nichts Böses, sondern erklären sich die Welt um sich herum mit den rationalen Erklärungen, die naheliegend sind. Denn eine Strumpfhose ist nicht mehr als eine Strumpfhose, ist eine Strumpfhose eine Strumpfhose.

Und wieder einmal heißt es: gibt dir das Leben Zitronen, mach Limonade draus – oder, schnapp dir Salz & Tequila und genieß die Party!

Cheers.

Zitronen

2 Kommentare zu „Alles reine Ansichtssache! – Fremdbild Kompression

  1. Recht hast du, ich denke über andere Menschen ja auch nicht negativ. Warum sollte also jeder mit doofen Gedanken hinter mir her schauen?
    Ich habe mich fast 25 Jahre mit Diäten gequält bis ich letzten Juli die Diagnose Lip/Lymph 2 bekommen habe…jetzt trage ich die Kompri und sie tut mir wirklich gut, aber ich kriege meinen Kopf einfach nicht auf das Level: ich bin gut so wie ich bin – es gelingt mir einfach nicht 🙁

  2. Ja schön wärst. Ich beneide dich. Ich habe jetzt 2 Versorgungen. Eine in „hautfarben“ um nicht omabeige zu sagen, eine in hellblau. Beide sind laut Aussagen meines Mannes in der Öffentlichkeit nicht tragbar.

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