Chronisch krank – eine seelische Herausforderung

Das Lipödem ist eine scheiß Krankheit.

Das wissen wir, als Betroffene, aus erster Hand. Die Verformung und Volumenzunahme unseres Körpers, genauso wie die Druck-/Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen, sind nicht auszublenden. Sie sind allgegenwärtig am Tag wie in der Nacht. Die Belastung ist groß.

Ein Mensch, der leidet, bevor es nötig ist, leidet mehr als nötig.

Seneca

Chronische Erkankungen – wozu auch das Lipödem zählt – lösen häufig ein Gefühl von großer Not und irritierendem Verlust von seelischer Ruhe aus.

Ein innerer Sturm bricht los, der Betroffene immer weiter hineinzieht in einen Sog aus Verunsicherung und unbeantworteten Fragen:

Kann ich geheilt werden?
Wird die Krankheit mein Leben verändern?
Kann mir jemand helfen?
Wie kann ich lernen, meine Krankheit und meinen kranken Körper zu akzeptieren?
Bin ich das noch… ?

Das Leben verliert – meist schleichend – an Lebensqualität.

Ich habe kein Problem damit zu kämpfen. Ich habe ein Problem damit, nichts anderes mehr zu tun.

twitter.com/darksun666

Das man nichts im Leben geschenkt bekommt, ist mir bewusst. Aber muss denn jeder Tag ein Kampf sein? Ein Albtraum ohne Erwachsen? Ein Krieg, ohne Gewinner, gegen mich selbst??

Ich bin hart im Nehmen, keine Frage. Aber auch ich komme an meine Grenzen.

Abhängig vom Charakter einer Person und ihrem individuellen Krankheitsverlauf sind die Belastungen vielfältig und verlangen von den Betroffenen ein breites Spektrum an Bewältigungsfertigkeiten. Sozusagen ein Methodenkoffer voller Coping-Strategien. Doch leider mangelt es meist genau daran. Manchen fehlt von vornherein das seelische Rüstzeug, eine Auswahl und Vielzahl an Bewältigungsfertigkeiten, um mit diesem stetig wachsenden, inneren Druck zurecht zu kommen.

Denn niemand ist darauf vorbereitet, chronisch zu erkranken.

Der Körper ist krank und schwach und wird angegriffen. Ein Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht macht sich in uns breit. Der eigene Körper als Feinbild.

Und so wird man langsam, aber stetig, immer weiter in den Sog der körperlichen und seelischen Schwächung hinein gezogen. Diese Schwächung behindert wiederum die weitere Krankheitsverarbeitung zusätzlich. Ein Teufelskreis.

Dabei wäre doch gerade jetzt innere Stärke, emotionale Stabilität und Achtsamkeit so wichtig.

Dein Schmerz ist das Zerbrechen der Schale, die dein Verstehen umschließt.

Khallil Gibran

Es reicht daher nicht die äußeren, körperlichen Symptome des Lipödems zu behandeln. Zu therapieren. Zu operieren.
Die psychischen Auswirkungen der Erkrankung sollten genauso ernst genommen und behandelt werden. Ganzheitliche Behandlungspläne erstellt und verordnet werden, anstatt punktuelle Symptomlinderung zu betreiben.

Denn es darf nicht sein, dass erst Anteile von uns amputiert werden müssen, um das (jahrelange) Leiden und das tief sitzende, bedrohliche Gefühl von Angst & Hoffnungslosigkeit zu reduzieren.

Die psychische Gesundheit hat einen großen Einfluss auf die Gesamtgesundheit. Das gilt nicht nur für psychosomatische Krankheiten – jede psychische Krankheit beeinträchtigt das Leben der Betroffenen.

Eine gesunde Psyche ist deshalb so wichtig für das gesamte Wohlbefinden des Menschen.


#mentalhealthmatters

#offensivepsychischegesundheit

#schmerzistunsichtbar


Photo by Annie Spratt on Unsplash

2 Kommentare zu „Chronisch krank – eine seelische Herausforderung

  1. Danke für den Beitrag, berührt mich sehr…Ich werde nun nach 2 1/2 Jahren ambulanter Psychotherapie in eine psychosomatische Klinik gehen…es ist Zeit, das Feindbild noch stärker zu bearbeiten…Liebe Grüße

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